Die Weltmeisterschaft ist rum, die Saison eigentlich schon fast vorbei, doch das Cyclocross-Fieber hält noch immer an. Mehr und mehr Menschen begeistern sich für die actionreiche Sportart bei der es abseits befestigter Straßen auf matschigen Feldwegen hoch hergeht. Wir hatten die Gelegenheit mit Max Podschun, Manager des deutschen Profiteams Project.Cross und selbst ehemaliger Fahrer, über sein noch junges Team, seine Motivation und den Spaß am Cyclocross zu sprechen und fanden dabei heraus, warum es der Profisport in Deutschland so schwer hat.
BE: Hi Max, erzähl erstmal etwas über dich und dein neues Cyclocross-Projekt.
Max: Moin Jungs! Schön, dass wir uns heute getroffen haben! Nachdem ich aus Australien nach Deutschland gezogen bin und nicht mehr regelmäßig Surfen konnte musste ich etwas anderes finden, dass meinen Drang nach Bewegung und Action befriedigt. So kam ich zum Radsport und speziell Cyclocross. Der Cyclocross-Sport hat meinem Leben wieder ein hohes Maß an Intensität und Leidenschaft zurückgegeben nachdem sich vorher für mich alles nur ums Surfen gedreht hat. Es hat mich wieder angetrieben und mir geholfen mich in Deutschland und meiner neuen Umgebung zurechtzufinden.
Als U19 und U23 Fahrer bin ich erfolgreich selber Rennen gefahren, aber um wirklich eine Profikarriere im Radsport einzuschlagen fehlte mir die professionelle Unterstützung. Project.Cross war deswegen der nächste logische Schritt für mich und meine Leidenschaft zum Radsport und Cyclocross. Es ist das erste deutsche Team, sogar das erste in Europa außerhalb Belgiens und den Niederlanden, das sich auf die Entwicklung junger, talentierter Fahrer spezialisiert, um aus ihnen international erfolgreiche Profifahrer zu machen.
Wer fährt für dein Team und wodurch zeichnen sich die Fahrer von Project.Cross aus?
Der bekannteste Fahrer ist Mariusz Gil. Er ist Pole und schon seit 12 Jahren professioneller CX-Fahrer (Cyclocross-Fahrer). Er ist momentan auf Platz 37 in der UCI-Weltrangliste. Der andere Fahrer ist der Neffe von Mariusz, Remy Gil, dessen Vater ein Weltklasse-Fahrer war und das Talent ganz klar vererbt hat. Remy ist sehr ehrgeizig und bestrebt, dass erfolgreiche Cyclocross-Erbe seiner Familie fortzuführen. Auch die Neuverpflichtungen für die nächste Saison haben großes Potential und werden unser Team noch weiter verstärken.
Durch seine Erfahrung und Bekanntheit in der Cyclocross-Szene fungiert Mariusz quasi als Gesicht unseres noch jungen Teams und repräsentiert uns auf der internationalen Bühne. Außerdem wird er der Mentor der jüngeren Fahrer sein und sein Fachwissen sowie seine Renn-Erfahrungen weitergeben. Remi ist hoch motiviert und hat die besten Voraussetzungen in die Weltspitze des Cyclocross-Sports hineinzufahren. Leider war er diese Saison krank und konnte sein Können nicht unter Beweis stellen.
Welche Erfolge konnte dein Team in seiner ersten Saison verzeichnen?
Mariusz hat für uns drei Podiumsplätze bei UCI-Rennen herausgefahren, unter Anderem eine Silber-Medaille bei den nationalen Meisterschaften und einen dritten Rang beim Rennen in Lorsch, Deutschland. Außerdem haben wir es geschafft, dass sich unsere beiden Fahrer für die Weltmeisterschaften qualifizieren konnten, auch wenn Remy krank war und nicht antreten konnte. Mariusz fuhr alle Weltcup-Rennen für uns und konnte bei der WM mit dem 22. Platz seine bisher beste Profi-WM fahren. Das war super!
Auch bei den großen internationalen Rennserien BPost Bank Trofee und EKZ Cross Tour waren wir öfter in den Top 10 und Top 15 vertreten, was uns zusätzlich einiges an Fernsehberichterstattung brachte. Ein weiterer Beweis unserer guten Arbeit ist der aktuelle Weltranglistenplatz von Mariusz, der sich nach einer schwächeren letzten Saison von Platz 57 auf 37 verbessern konnte.
Das klingt doch ganz ordentlich. Bist du zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen?
Im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden. Diese Saison war mit Sicherheit deutlich schwerer als jede andere Saison die noch folgen wird, da es nicht nur um die Rennen an sich ging. Wir mussten ja die erstmal die ganze Infrastruktur und Logistik für das Team schaffen. Das hat aber alles gut geklappt. Es gab keine Probleme mit den Fahrrädern, unsere Mitarbeiter haben hervorragende Arbeit beim Service geleistet, Mariusz konnte ein paar wirklich gute Ergebnisse erzielen und Project.Cross hat definitiv seinen Platz im professionellen Cyclocross-Sport gefunden.
Welche Ziele verfolgst du mit deinem Team und dem Projekt im Allgemeinen?
Cyclocross hat ein enormes Potential an Talenten und das in ganz Europa. Trotzdem konzentriert sich alles auf die beiden Cyclocross-Hochburgen Belgien und Holland. Kein Wunder, da sind ja auch das Geld, das Fernsehen, die Begeisterung und die guten Fahrer. Es hat mit schon immer Spaß gemacht, über den Tellerrand hinauszublicken und etwas Besonderes zu machen. Das Projekt Project.Cross soll den talentierten Fahrern außerhalb von Belgien und den Niederlanden die Chance geben, sich in einem professionellen Umfeld zu entwickeln und wenn möglich die Lücke zu den Belgiern zu schließen. Es gibt so viel worauf man als junger Fahrer achten muss, was aber außerhalb der belgischen und holländischen Talentschmieden nur ganz selten oder gar nicht vermittelt wird. Das Project.Cross-Team ist, wenn man so will, mein Instrument um diese Ziele in der Praxis umzusetzen und dann zu erreichen.
Cyclocross liegt ja gerade überall im Trend. Warum ist das deiner Meinung nach so?
CX ist purer Spaß. Du kannst das ganze Jahr über fahren, bei jedem Wetter und es ist außerdem sehr günstig, da man mit seinem Bike sowohl im Gelände als auch auf der Straße gut unterwegs sein kann. Allgemein bin ich der Überzeugung, dass Cyclocross seit den 60er Jahren, als der Deutsche Rolf Wolfshohl dreifacher Weltmeister wurde, nichts von seiner Attraktivität eingebüßt hat. Eher hat uns damals der Mountainbike-Hype aus den USA getroffen und durch Jan Ullrich’s Erfolg bei der Tour de France rückte dann das „Querfeldeinrennfahren“ stark in den Hintergrund. Heute sind Mountainbike-Rennen allerdings nicht so interessant für Zuschauer wegen den langen Strecken abseits großer Städte und der Straßenradsport hat durch die Dopingvorfälle stark gelitten, sodass Cyclocross gerade wieder äußerst populär ist.
Wie schätzt du den deutschen Profisport zurzeit ein?
Der Stand des Cyclocross-Profisports in Deutschland ist wirklich verheerend schlecht. Auch wenn wir momentan zwei Weltklassefahrer mit Philipp Walsleben und Marcel Meisen in unseren Reihen haben, ist Cyclocross in Deutschland noch lange nicht dort, wo es sein könnte. Momentan sieht es mit Marcel und Philipp noch gut aus aber in naher Zukunft wird sich das ändern, da der professionelle Cyclocross-Sport seine Gesichter und seinen Anreiz weiter verlieren wird. Hanka Kupfernagel z.B. wird sich bald aus dem professionellen Sport verabschieden, und mit ihr dann auch der letzte aktive deutsche Profi-WM-Sieger. Sobald dann auch Philipp und Marcel aufhören besteht die Gefahr, dass die deutsche Szene einbricht, denn ich sehe bis auf zwei oder drei Fahrer momentan keine Talente, die den Sprung ins internationale Geschäft schaffen können. Das werden sie aber auch nur schaffen, wenn sie noch einiges ändern und nicht so weitermachen wie bisher. In Deutschland gehen Eltern und Trainer gerne auf Sicherheit – aber wenn du nicht mutig bist und kein Risiko eingehen willst, kannst du den Sprung ins Profigeschäft nicht schaffen.
Jungen Fahrern wird leider nicht klar gemacht, dass „Cyclocross-Profi“ eine lohnenswerte und legitime Sportlerkarriere sein kann. Christoph Pfingsten zum Beispiel war Vize-U23-Weltmeister im Cross und entschied sich letztendlich für den Straßenrennsport. Auf der anderen Seite - und das ist meiner Ansicht nach noch entscheidender - unterstützt der Bund Deutscher Radfahrer den deutschen Hochleistungssport im Cross so gut wir überhaupt nicht, weder mit Geld noch anderweitig.
Dazu kommt noch, dass es außer meiner jetzt neuen Mannschaft keine Teams gibt, die den Fahrern in den Klassen U17, U19 und U23 regelmäßig die Chance geben, sich international auf hohem Niveau zu messen und sich so weiterzuentwickeln. Das hat natürlich und leider vor allem kommerzielle Gründe.
Was fasziniert dich persönlich so sehr am Cyclocross-Sport? Was macht ihn so besonders?
Das ist einfach: Weil es einfach verdammt viel Spaß macht!
Ernsthaft. Die Rennen sind atemberaubend schnell, es gibt so viele Details die man beachten muss, und die Strecken sind so abwechslungsreich wie in keiner anderen Radsport-Disziplin. Es gibt zum Beispiel verschiedene Arten Sand, Schnee, Eis, Schlamm, Abhänge, Brücken, U-Turns, Baumstämme und andere Hindernisse. Du musst in einer Stunde unzählige Male beschleunigen und dabei stets konzentriert sein, sonst machst du einen entscheidenden Fehler und alle Mühe war umsonst.
Ich vergleiche Cyclocross lieber mit Motorsport als mit anderen Radsport-Disziplinen. Es ist wie eine Mischung aus Formel 1 und Rallye, auf einem Fahrrad mit dir selbst als Fahrer. Was kann man daran nicht super finden?
Gibt es ein spezielles Erlebnis auf der Strecke oder bei einem Rennen, das du nie vergessen wirst?
Es gab viele besondere Momente, aber was ich niemals vergessen werde ist mein erstes Rennen in Belgien bei dem Koppenbergcross in der U19. Es war so unglaublich anstrengend, dass als ich in der ersten Runde oben auf dem Hügel des Kurses ankam, ich nur noch schwarz vor meinen Augen sah und weiße Punkte davor rumhüpften. Ich war wirklich am Ende, habe aber wegen der elektrisierenden Stimmung und den unbeschreiblichen Anfeuerungen der Zuschauer immer weitergetreten. Es war furchtbar, und wunderschön gleichermaßen.
Danke Max für das Gespräch!
Danke an euch! Es hat mir wirklich Spaß gemacht mit euch zu plaudern!
Ein Schlusswort an den ambitionierten Cross-Nachwuchs da draußen: Wenn ihr euch traut den Sprung ins Profigeschäft zu versuchen, könnt ihr euch gerne bei mir melden – ich freue mich immer über junge, motivierte Sportler, die mein Team unterstützen kann!